Ein neues Umweltbewusstsein scheint in der Gesellschaft angekommen zu sein. Ökologisch verantwortungsvoller Konsum ist nicht nur modern, sondern ein Statussymbol geworden. Denn heute ist man “draußen zuhause” (Jack Wolfskin). Man “hört nie auf, zu entdecken” (The North Face). Mit diesem neuen Abenteuergefühl wird jede Menge Geld verdient.
“Weltweit soll Outdoor etwa 50 Milliarden Euro umsetzen”, schätzt der Focus. Die Freude an der Natur, das Umweltbewusstsein selbst wird zum Konsumgut. Genau diesem Gedanken ist ein Wort verpflichtet, das wie kein zweites den Spagat zwischen beiden Welten schaffen soll: Nachhaltigkeit. Der Idee der Nachhaltigkeit wird in der Outdoorindustrie ein besonderer Stellenwert zugeschrieben, heißt es immer wieder. So ist auf Spiegel Online zu lesen: “Die Outdoor-Branche steht für Freiheit und Naturverbundenheit”. Via-ferrata.de zitiert Claes Broqvist, seines Zeichens Sales- und Marketing-Direcktor von Haglöfs, mit den Worten Nachhaltigkeit sei “fundamental und nicht nur kosmetisch, eine Chance und keine Last”. Dabei ist es häufig schwer zu durchschauen, inwiefern dieses Bekenntnis aus der Branche selbst kommt, oder ob es durch den gesellschaftlichen Trend hin zu ökologischem Konsum von außen an sie herangetragen wird, es sich also vielmehr um eine pragmatische, rein ökonomische Anpassung an veränderte Image- und Nachfragestrukturen als um aufrichtiges Engagement für Natur und Umwelt handelt. Gerade Marken wie Jack Wolfskin sind längst über das Segment “Outdoor” hinaus gewachsen und fester Bestandteil urbaner Alltagsmode, kaum eine andere Branche verzeichnete in den letzten Jahren insgesamt größere Wachstumsraten. Aber was sind die Gründe für das gesteigerte Umweltbewusstsein in den letzten Jahren? Sicherlich auch die Erkenntnis um die ökologischen Konsequenzen unseres Konsummodells. Es stellt sich also zwangsläufig die Frage: Eine boomende Outdoorindustrie und eine boomende Idee der Nachhaltigkeit, passt das überhaupt Zusammen?
hugsforhikers widmet sich also dem Thema Outdoor und Nachhaltigkeit, mit all seinen Widersprüchen und Chancen, in einem ersten Special über mehrere Beiträge hinweg. Besser spät als nie steige ich damit in eine Diskussion ein, die insbesondere von outdoor.de angestoßen und dort selbst mit einer Reihe ausführlicher Beiträge bedacht wurde.
Dieser Frage soll sich in verschiedenen Schritten genähert werden. Zunächst erst scheint erst einmal wichtig zu klären, warum das Thema Nachhaltigkeit in der Outdoorbranche überhaupt eine so große Rolle spielt. Einerseits geht es um die Kunden. Menschen, die sich für Outdoormarken, bzw. für Funktionskleidung für Outdoorsport ernsthaft interessieren, tun dies in der Regel nicht einfach aus Modegründen. Vielmehr ist es das eigene Interesse an Natur, am Berg- oder Wandersport im weitesten Sinne, das eine so große Nachfrage für Produkte, die diesem Hobby entsprechen, erst geschaffen hat. Dieser Art von Kunden ist folglich ihr Interesse an einem möglichst umfangreichen und weitgehenden Erhalt der Grundlage dieser Leidenschaft gemeinsam. Mit einem Wort: Umweltschutz*. Dementsprechend berichtet Rolf G. Schmid, Präsident der European Outdoor Group und Geschäftsführer von Mammut auf der Messe OutDoor 2007 in Friedrichshafen: „Wir verzeichnen einen starken Zuwachs bei Lifestyle-Konsumenten, die Outdoor-Aktivitäten in der Natur als gesunden Lebensstil betrachten”, und ergänzt direkt: “Klimawandel und Umweltschutz sind wichtige Themen, die auch in der Outdoor-Industrie sehr ernst genommen werden”.
Andererseits geht es also folgerichtig um Produzenten. Auch sie müssen, wenn es um langfristige Ziele geht, ein Interesse an nachhaltigem Umweltschuz haben. Denn auch hier gilt: “Ohne Natur kein Outdoor-Business”, schreibt Alpin. Die daran anschließende Überlegung ist simpel: Je weniger Umwelt, desto weniger Platz für Outdooraktivitäten, desto weniger Nachfrage nach Outdoorprodukten. Diesen Gedanken hat Discover Outdoor treffend pointiert: Es geht um “Naturverbrauch”. Hier zeigt sich der grundlegende Konflikt in der Tatsache, dass die Outdoorindustrie boomt. Denn industrielles Wachstum bedeutet in unserem aktuellen Wirtschaftsmodell nach wie vor zwangsläufig mehr Ressourcenverbrauch und mehr Treibhausgasemissionen – und damit letztendlich weniger Nachhaltigkeit und eine weniger intakte Umwelt. Aber wofür steht dann “Nachhaltigkeit” überhaupt? Steht hinter dem Begriff tatsächlich eine Idee von ökologisch verantwortungsvollem Wirtschaften, oder ist es vielmehr nur noch ein Modewort ohne Inhalt, ein Marketing-Alleskleber? Woher kommt der Begriff eigentlich, wie konnte er so zentral werden und war früher mit ihm womöglich etwas anderes gemeint?
Im ersten, in Kürze folgenden Teil dieser Serie soll sich diesen Fragen gewidmet werden. Daran anschließend werden in weiteren Beiträgen verschiedene Label und Produktionsrichtlinien vorgestellt sowie Produktionsmethoden und CSR-Projekte (Corporate Social Responsibility) großer Namen der Outdoor-Branche unter die Lupe genommen.
* Okay, sieht man sich die im wahrsten Sinne des Wortes zugeschissenen Wege der bekannteren Routen während der Hauptsaison an, darf das auch bezweifelt werden…