In der Einleitung zum hugsforhikers-Spezial über Nachhaltigkeit in der Outdoorbranche wurde bereits darauf hingewiesen, dass nahezu alle Outdoormarken nicht nur mit einem besonders umweltfreundlichen und sozial verantwortungsbewussten Image werben, sondern von einem allgemein gestiegenen Interesse an Nachhaltigkeit und Umweltschutz erheblich profitieren. Hinzu kommen weitgehend stagnierende Löhne in vielen Branchen, die einen Urlaub im Allgäu plötzlich mit den Stränden Kaliforniens konkurrieren lassen und somit Radeln und Wandern ein immer attraktiverer Zeitvertreib werden. Zwischen absurden Finanz- und Wirtschaftskrisen zeigte sich die Outdoorbranche daher krisenfest. Doch diese zeichnet sich auch durch eine bisweilen besonders kritische Kundschaft aus, wie das Beispiel Jack Wolfskin zeigt. Als die Firma aus dem Taunus Abmahnungen an Näherinnen schickte, die als Logo eine Pfote verwendeten, reagierte die Kundschaft: Der „Tatzenskandal“, der im Internet und der Outdoor-Blogosphäre für viel Aufregung sorgte und Jack Wolfskin zum einlenken zwang hat bewiesen, dass Kunden der Outdoor-Branche kritisch und aufmerksam sind.
Als die Clean Clothes Campaign auf der weltweit führenden Outdoormesse „OutDoor“ in Ludwigshafen 2010 eine Studie über die Produktions- und Arbeitsbedingungen der 15 Marktführer vorstellte, war die Aufmerksamkeit entsprechend groß. Denn die Studie kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Zwar boomt die Outdoorbranche, setzt sich in Bezug auf soziale Verantwortung der Produzenten aber nicht von anderen Marktsegmenten ab, produziert vornehmlich in Billiglohnländern wie Vietnam, China oder Bangladesch und zahlt dort durchschnittlich nur das, was gesetzlich über lokale Mindestlöhne nötig ist. Doch nicht selten liegen diese Mindestlöhne unter dem Existenzminimum, und sie sind nur ein Faktor unter vielen. Zwangsarbeit oder eine weitgehende Entrechtung der ArbeiterInnen sind gleichermaßen unvereinbar sind mit einem sozial und umweltbewussten Weltbild, sollte man meinen.
Die Textilverarbeitung ist und bleibt die Domäne von Hungerlöhnen und prekären Arbeitsbedingungen. Auch in der Outdoorbranche. Doch dort, das ist zumindest die hier vertretene Meinung, wiegt der gnadenlose Blick auf die Profite doppelt schwer, denn sie offenbart einen tief liegenden Widerspruch. Denn wie kein zweiter Marktbereich profitiert sie von einer weltoffenen, global interessierten Kundenbasis, von Reise- und Abenteuerlust in fremden Ländern, von Fernweh und Entdeckungsdrang. Insbesondere mit „alltagstauglicher“ Outdoorbekleidung versucht man sich doch, sind wir ehrlich, nicht nur vielleicht als Bergsportler, sondern als umweltfreundlich, modernen, global verantwortungsbewusst zu präsentieren. Think global, act local. Ein Frankfurter Banker trägt seine Jack Wolfskin Jacke in seinem SUV auf dem Weg zur Arbeit nicht, weil sie wetterfester ist als andere, sondern weil damit ein Image transportiert werden soll. Natürlich kann man nun über diese Ironie diskutieren, aber Fakt ist, dass es insgesamt eine immer größere Nachfrage sowohl nach fair gehandelten als auch nach ökologisch hergestellten Produkten gibt. Und das ist äußerst positiv.
Wenn also ausgerechnet die Outdoorbranche nun versucht aus dieser neuen Nachfragestruktur Gewinn zu schlagen ohne dabei tatsächlich einen Beitrag zur Verbesserung der soziökonomischen und ökologischen Situation in Erzeugerländern zu leisten – wer soll diesen wichtigen und notwendigen Schritt in der Textilindustrie dann überhaupt tun? Discounter? Luxuslabels? Auch ein 400-Euro-Expeditionsstiefel wird von Menschen genäht – deren Lohnkosten etwa 0,4% des Verkaufspreises ausmachen. Der ursprüngliche Idealismus, der die Outdoorbranche in ihren Anfangszeiten noch kennzeichnete, scheint zu schwinden. Dass es eine teils aus dem Ufer laufende Kommerzialisierung gibt, schreibt selbst das Magazin „outdoor markt“. Sven Goergens bringt es auf den Punkt: „Das Hadern mit dem eigenen Erfolg ist bezeichnend für ein Geschäft, das anfangs ein paar Individualisten und Abenteurern Überlebensausrüstungen zusammenstellte, bei dem aber mittlerweile jeder zweite Rentner Speed-Pacer-Vario-Stocks einkauft.“
Gleichzeitig ist die unstillbare Nachfrage jedoch nicht nur einem neuen Umweltbewusstsein verschuldet, sondern gleichzeitig Teil eines gesellschaftlichen Trends hin zur Leistung. Durch immer kleinere und praktischere Gadgets können wir selbst beim morgendlichen Joggen alles messen: Distanz, Schrittzahl, verbrannte Kalorien – und online mit anderen konkurrieren. „Aus den Deutschen, einst schwärmerische Naturliebhaber mit Pfadfinder-Schal oder Wandervogel-Schlapphut, sind Naturbezwinger geworden, ehrgeizige Amateure, die sich Leistungssport verordnen“, schreibt Goergens weiter. Es geht also nicht um Entspannung, sondern um Anspannung. Um Beschleunigung anstatt Entschleunigung. Ein Wertewandel ist somit letztlich nicht nur in der Industrie, sondern auch bei ihren Kunden zu erkennen.
Doch spätestens seit der OutDoor 2010 beginnt sich eine positive Änderung abzuzeichnen: Rolf Schmid, CEO der Mammut-Gruppe, wird im Focus mit den Worten zitiert, dass eine solche Wertediskussion längst überfällig sei. Die Schweizer Firma Mammut ist aus der Outdoorbranche das erstes Mitglied der Fair Wear Foundation, die sich weltweit für sozialverträglichere Arbeitsbedingungen einsetzt und einen guten Ruf genießt, nicht weil sie sich für die Einhaltung von lokalen Mindestlöhnen einsetzt, sondern vor allem weil sie sich für Existenzlöhne engagiert (im Gegensatz, zum Beispiel, zur Fair Labor Association). Der Fair Wear Foundation sind 2010 auch die deutschen Firmen Jack Wolfskin, Schöffel und VAUDE beigetreten, die damit einen notwendigen Schritt zu mehr Transparenz machen. Insbesondere VAUDE hebt sich in letzter Zeit positiv von der Konkurrenz durch besonders großes soziales und ökologisches Engagement ab. Mit der aktuellen Kampagne in Zusammenarbeit mit dem WWF, dem DAV und der FWF im Rahmen des „Internationalen Jahr des Waldes“ kann jeder Outdoorsportler ein „Grünes Vorbild“ werden. Für den Versuch, Nachhaltigkeit darüber hinaus mit der VAUDE „Green shape“-Kollektion nicht als Wettbewerbsnachteil, sondern als echte Chance für Wandel offensiv zu nutzen, verdienten die Obereisenbacher Unterstützung. Gleiches gilt für die Tatsache, dass sich das Familienunternehmen nicht davor scheut, über ihre Produktion in der Militärdiktatur Myanmar offen zu diskutieren. Beweise für den Erfolg dieser Strategie sind die Markteinführungen der ersten bluesign-zertifizierten Zelte und Rucksäcke weltweit.
„Seit zwei bis drei Jahren fragen die Kunden gezielt nach den Produktionsbedingungen (…) und strafen die Firmen knallhart ab, die sich nicht ausreichend darum kümmern“, berichtet Jens Kreklau von Globetrotter dem Spiegel. Es geht also auch anders. Es geht vorwärts.
Also im Outdoor-Business hat man wohl erkannt dass man ohne ein nachhaltiges Image in der Zukunft keine guten Geschäfte mehr tätigen können wird. Der typische Outdoor-Kunde ist nunmal Naturliebhaber und logischerweise dann auch Umweltschützer und legt wert auf Nachhaltigkeit bei den Produkten.