Viele träumen davon eines Tages von sich sagen zu können einen Fuß auf alle Kontinente gesetzt zu haben, und zwar auf alle sieben: Auf Nord- und Südamerika, Europa, Afrika, auf Asien, Australien und auf die Antarktis. Aber warum eigentlich nur sieben und nicht gleich auf alle zwölf? Oder auf alle vier?
Was ist überhaupt ein Kontinent? Nach der gängigen Definition sind Kontinente geschlossene Festlandmassen die durch Ozeane getrennt sind. Sie bedecken rund 30% der Erdoberfläche. Hier ergibt sich direkt das erste Problem: Warum sind Asien und Europa zwei unterschiedliche Kontinente, wenn sie nicht durch einen Ozean voneinander getrennt sind? Diese Unterscheidung hat historische Gründe. Spätestens seit der Neuzeit wurde der Ural als natürliche Grenze zwischen Europa und Asien angesehen. Das wiederum jedoch hat wohl hauptsächlich politische und kulturelle Gründe. In unserem Selbst- und Weltbild waren (und sind) europäische und asiatische Kulturen offenbar so verschieden, dass die Teilung in zwei Kontinente kaum hinterfragt wird.
Aber wenn wir das kulturelle Argument gelten lassen, warum gilt es dann nicht auch für Indien und den Mittleren Osten? Die Kulturen unterscheiden sich mindestens in gleichem Maße, man denke nur an die Religionen: Hier hauptsächlich der Hinduismus, dort der Islam. Mit dieser Rechnung wären wir bereits bei neun Koninenten: Nordamerika, Südamerika, Europa, Afrika, Asien, Mittlerer Osten, Indien, Australien und die Antarktis. Das kulturelle Argument ist also nicht wirklich zu gebrauchen, denn so würden wir die Welt in immer mehr immer unübersichtlichere und letztendlich willkürliche Kontinente aufteilen, was die ganze Sache noch unübersichtlicher macht.
Warum also nicht die kulturelle Perspektive über Bord werfen und Europa und Asien als einen Kontinent betrachten: Eurasien? Was aber ist dann mit Nord- und Südamerika, die durch den Isthmus in Panama eigentlich miteinander verbunden sind. Oder zumindest waren sie das, bis Teddy Roosevelt sich 1906 entschlossen hatte den Panamakanal zu bauen. Theoretisch kann man aber immernoch von Alaska bis ans Feuerkap laufen, denn über den Kanal führt an seiner engsten Stelle eine kleine Brücke. Nord- und Südamerika sind jedenfalls nicht natürlich voneinander getrennt. Aus dieser Perspektive gibt es also fünf Kontinente: Amerika, Eurasien, Afrika, Australien und die Antarktis. Das muss also stimmen, immerhin symbolisieren selbst die fünf Ringe der Olympiade eben genau diese fünf Kontinente. Und Kolumbus hat 1492 Amerika entdeckt, nicht Nordamerika oder Südamerika, richtig? Wenn aber der Panama-Kanal nicht mehr zählt, muss das gleiche nicht auch für den Suezkanal gelten, der innerhalb Ägyptens erst seit 1869 Afrika von Europa trennt?
Wenn Kontinente also tatsächlich voneinander durch Ozeane getrennte geschlossene Landmassen sind, gibt es also nur vier Kontinente: Amerika, Afro-Eurasien, Australien und die Antarktis. Oder…? Naja. Nicht ganz. Ab wann ist eine Landfläche denn eigentlich eine Landmasse? Ist Australien wirklich eine Landmasse oder nur die größte Insel? Und warum ist eigentlich Grönland eine Insel und kein Kontinent? Und erst die Antarktis: Ohne Eis entpuppt sich der Kontinent eher als eine Art riesiges Archipel, dessen größte Insel kleiner als Australien ist. Was ist also mit anderen großen Inseln wie Borneo, Madagaskar oder Sumatra? Es müsste also dutzende Kontinente geben. Oder…?
Nein, nicht wirklich. Eine Antwort bietet die Geologie, die einen Kontinent als tektonische Platte definiert, die auf der Erdkruste liegt. In der Geologie gibt es die antarktische Plate, die australische Platte, die eurasische Platte, die südamerikanische Platte, die afrikanische Platte… und die arabische Platte, die indische Platte, die karibische Platte, die pazifische Platte, die Nazca-Platte, die Scotiaplatte und die nordamerikanische Platte, die unter halb Japan und einem Teil Russlands liegt. Okay, okay, halt. Also doch ein Dutzend Kontinente? Auch das nicht, denn es gibt noch die Cocosplatte, die Philippinische Platte und eine Reihe weiterer kleinerer Platten.
Das Problem ist: Es gibt keine konsistente, universell gültige Definition des Wortes “Kontinent” für den Alltagsgebrauch. Vor ca. 542 Millionen Jahren, im Paläozoikum, waren alle Kontinente übrigens für rund 290 Millionen Jahre miteinander verbunden. In dieser Zeit gab es also nach den meisten Definitionen genau einen Kontinent. Dieser eine Superkontinent wird Pangaea genannt, und es wird ihn in rund 250 Millionen Jahren möglicherweise wieder geben. Im Altertum wiederum wurde lange geglaubt, dass es drei Kontinente gibt: Herodot unterschied nur zwischen Europa, Asien und Afrika.
Wie viele Kontinente gibt es also heute? Letztendlich genau so viele, wie du bereisen möchtest.
Hinweis: Dieser Beitrag ist an das sehenswerte Video “What are Continents?” von C.G.P. Grey angelehnt.
Siehe auch: Verkehrte Welt: Weltbilder und Weltkarten.