Umwelt- und Sozialstandards (2): Die Fair Wear Foundation

Vom 27/11/2013
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Outdoor & NachhaltigkeitDie Fair Wear Foundation (FWF) ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich aus Gewerkschaften, anderen NGOs und verschiedenen Unternehmen zusammensetzt und seit 1999 vor allem in Asian für bessere Arbeitsbedigungen kämpft. Seit 2010 hat die FWF bereits über 50 Mitglieds-Unternehmen, darunter einige Hochkaräter der Outdoorbranche.

Wie bereits im Artikel über bluesign® festgehalten, gibt es in der Outdoorbranche noch kein branchenübergreifendes erfolgreiches Pull-Marketing für Umwelt- und Sozialstandards, wie es beispielsweise bei wasserdichten Membranen funktioniert. Gore-Tex kennt jeder, möchte jeder, obwohl die Firma gar keine eigenen Produkte, sondern nur Materialien herstellt. Gore-Tex gilt als Qualitätsmerkmal, dass für eine Kaufentscheidung sicherlich nicht selten mitentscheidend ist. Das gleiche muss so schnell wie möglich auch für Umwelt- und Sozialstandards gelten: Sie sollten zu einem der wesentlichen Kriterien für Kaufentscheidungen und daher ganz gezielt nachgefragt werden. Nur so können Firmen langfristig gezwungen werden, auch aus ökonomischen Gründen wesentliche Standards für Arbeits- und Produktionsbedingungen einzuhalten.

Die Fair Wear Foundation

Den wahrscheinlich besten Standard für Arbeitsbedingungen in der Textilbranche hat die Multi-Stakeholder-Initiative Fair Wear Foundation (FWF) gesetzt. Sie wird von verschiedenen Organisationen geleitet, darunter auch die Clean Clothes Campaign (CCC) aus den Niederlanden, und ihre Standards basieren auf jenen der International Arbeitsorganisation (ILO) und der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und konzentrieren sich insbesondere auf die Sicherstellung der Vereinigungsfreiheit (also z.B. der Freiheit, Gewerkschaften zu gründen), dem Einhalten der geregelten Arbeitsstunden und der Zahlung eines Existenzlohns. Da Mindestlöhne in vielen Entwicklungsländern und gerade in Produktionsländern der Textilindustrie keine Existenz sichern können, spielen Existenzlöhne – die über Mindestlöhnen liegen – eine enorm wichtige Rolle. Insbesondere in asiatischen Schwerpunktländern der Textilindustrie deckt der gesetzliche Mindestlohn teilweise nur 20-60% der Lebenskosten – wenn er denn überhaupt bezahlt wird. Weitere internationale Kooperationspartner sind z.B. die Ethical Trading Initiative (ETI), das Workers’ Rights Consortium (WRC), die Fair Labor Association (FLA) und Social Accountability International (SAI).

Der Arbeitskodex der FWF, der die Grundlage für die Zusammenarbeit mit Mitglieds-Unternehmen ist und für dessen Einhaltung dementsprechend alle Mitglieder verantwortlich gemacht werden, beinhaltet acht Grundsätze:

Die Einhaltung dieser Arbeitsrichtlinien wird durch eine unabhängige dritte Organisation durch regelmäßige Audits kontrolliert. Diese werden zwar vorher angekündigt, welcher Fabrikbereich aber kontrolliert wird bleibt bis zur Kontrolle selbst geheim. Gleichzeitig verlangen die Auditoren, die immer lokale Organisationen mit Kenntnis über die lokal gesprochenen Sprachen und Gesetzeslagen sind, vollständige Akteneinsicht. Die FWF will sicherstellen, dass die Standards nicht zum lästigen Anhängsel des Unternehmens,  sondern zu einem integralen Bestandteil der Management-Strategie insgesamt werden. Daher werden nicht nur die Produktionsstandorte, sondern auch z.B. die Zentralen der Unternehmen in anderen Ländern auditiert. Gleichzeitig wird kontrolliert, ob Arbeiter und Arbeiterinnen genug Möglichkeiten haben, ohne Angst vor Konsequenzen Beschwerde über die Arbeitssituation einreichen zu können. Es werden außerdem schon vor den Audit-Terminen Interviews mit einzelnen Mitarbeitern geführt.

All diese Mechanismen auf verschiedenen Ebenen funktionieren als ein Art Sicherheitsnetz für die Arbeiterinnen und Arbeiter von Mitgliedsunternehmen, indem sie eine dritte unabhängige, aber lokal verortete Instanz als weiteren Ansprechpartner zur Verfügung stellen. Diese greifen dann, wenn z.B. die vorhandenen Kanäle für Beschwerden nicht fair gestaltet sind oder nicht effektiv funktionieren. Das führt dazu, dass Arbeitnehmer zu befähigt werden, die Einhaltung des FWF-Arbeitskodex durch ihre Arbeitgeber selbst zu kontrollieren. Daher ist es wesentlich, dass diese Instanz von lokalen Organisationen (meist Frauenrechtsorganisationen) besetzt wird: Sie sprechen die Sprache der Angestellten, sind über lokale Kanäle und Rufnummern jederzeit erreichbar und im Notfall schnell vor Ort.

Wird festgestellt, dass ein Produzent die FWF-Standards nicht erfüllt, wird ausdrücklich nicht verlangt, dass sich die Marke von diesem Produzenten trennt – im Gegenteil! Die FWF erstellt in der Folge einen detaillierten Corrective Action Plan (CAP), also eine Art Aufgabenkatalog zur schrittweisen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Hier kommt eine Sonderregel zum Tragen, die die Situation für manche Marken aus verschiedenen Gründen aber verkomplizieren kann: Viele Produktionsstätten sind Joint Ventures. Das bedeutet, dass VAUDE, Jack Wolfskin und Mammut (fiktives Beispiel) möglicherweise einen Teil ihrer Kollektion in ein und derselben Fabrik anfertigen lassen. Wenn aber nun nur eines der drei Unternehmen Mitglied der FWF wäre und mit einem CAP einen erheblichen Arbeitsaufwand auf sich nehmen würde, könnten die anderen beiden Firmen einfach ein Jahr später ebenfalls in die FWF eintreten – und dann aber den CAP, der ja schon für die erste Firma in dieser Fabrik besteht, mit übernehmen. Sie hätten so erheblichen Aufwand gespart. Kurzum: Firmen, die früh der FWF beigetreten sind, verdienen dafür Anerkennung vom Kunden. Daher sei angemerkt, dass sowohl VAUDE, Jack Wolfskin als auch Mammut alle Mitglieder der FWF sind.

Die Ergebnisse der Audits (der Kontrollen) werden von der FWF auf ihrer eigenen Website veröffentlicht. Über die Fortschritte und Problematiken jedes Mitglied-Unternehmens wird ausführlich und transparent berichtet. Dort gibt es darüber hinaus weitere, Country-Reports über die Situation in den einzelnen Ländern unabhängig von den Mitglieds-Unternehmen und ausführliche Informationen die genauen Hintergründe der Standards und ihre Implementierungsprozesse.

Ähnlich wie bluesign® bei Umweltstandards spielt die Fair Wear Foundation in Sachen Sozialstandards in der Textilindustrie eine besondere Rolle. Sie setzt nicht nur die strengsten Standards, sondern fordert auch die konsequenteste Verpflichtung. Denn Produkte, die aus einer von der FWF auditierten Fabrik stammen, dürfen von den Herstellern nicht gezielt beworben werden! Die Fair Wear Foundation verlangt, dass die Einhaltung von internationalen Menschen- und Arbeitsrechten eine Selbstverständlichkeit und daher ausdrücklich nicht Teil einer Marketing-Strategie ist.

Die Outdoorbranche und die Fair Wear Foundation

Aus der Outdoorbranche sind folgende Unternehmen Mitglied der Fair Wear Foundation:

Um ein konkretes Beispiel zu bringen: Anhand des Audit-Reports von Jack Wolfskin ist nachvollziehbar, wie die FWF funktioniert, aber auch welche Herausforderungen existieren. Dort steht etwa, dass 99% des Einkaufsvolumens von Jack Wolfskin in 2010 von der FWF auditiert worden – 40% ist die Mindestanforderung für eine Mitgliedschaft. Dabei wurden Produktionsstätten in Vietnam, Bangladesch und Thailand überprüft und festgestellt, dass bspw. in Vietnam nur Mindestlöhne, also keine Existenzlöhne, gezahlt werden und es Defizite bei der Arbeitssicherheit gibt. Und während Angestellte in der thailändischen Fabrik teilweise keine Kopie ihres Arbeitsvertrages erhielten und zu viele Überstunden leisten mussten, hat die Farik in Bangladesh immerhin für einen kleinen Teil der Angestellten höhere Löhne als in umliegenden Produktionsstätten gezahlt.

Normalzustand als Katastrophe

Das wir Labels wie bluesign® oder Fair Trade überhaupt benötigen, ist ein Armutszeugnis. Wir leben in einer Welt, in der Produkte, die keine Menschenrechte verletzen oder keine gesundheits- oder umweltschädlichen Stoffe beinhalten, besonders gekennzeichnet werden müssen um aufzufallen. Das ist absurd. Das Gegenteil sollte der Fall sein: Alle Produkte in allen Branchen sollten ganz selbstverständlich und grundsätzlich diese Qualitätsstandards aufweisen, während jene Produkte, die es nicht tun, entsprechend gekennzeichnet und ggf. schlicht verboten werden müssten. Der Status Quo, der Normalzustand, ist jedenfalls untragbar – sowohl für den Mensch, als auch für die Natur.

Labels oder Initiativen wie die Fair Wear Foundation sind lobenswert und richtig. Aber sie können die globalen Probleme nicht alleine lösen, da sie von Nachfrage seitens der Kundschaft abhängig sind. Und die ist alles andere als garantiert. Das können wir ändern. Das müssen wir ändern.


1 Kommentar
Vom 07/05/2013
Von Florian

Besonders der Schlussabschnitt Ihres Beitrags erfreut mich sehr. Es ist schön zu sehen, dass mittlerweile viele Menschen in diese Richtung denken und hoffentlich auch handeln.
Das große Problem hinter der “Katastrophe als Normalzustand” ist meines Erachten die Profitorientierung vieler Unternehmer. Wenn es auch zukünftig oftmals ausschließlich um Profite geht, werden auch weiterhin Arbeitnehmerbedingungen leiden und die Eigentümer/Geschäftsführer weiterhin die Unternehmenspolitik auf persönliche Motive ausrichten.

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